Vom Webdesigner zum Digital Product Designer – wie sich UX wirklich definiert
Shownotes
UX ist mehr als schöne Buttons: Mit Gast Uwe Thimel gehen wir zurück in die Dotcom-Ära, als der „Webdesigner“ noch alles in Personalunion machte, und zeichnen den Weg zu spezialisierten Rollen für UX, UI und Frontend nach. Warum Kunden UX oft fälschlich auf das sichtbare Interface reduzieren, weshalb eine frühe Investition in UX bares Geld spart und ob der Begriff „Digital Product Design“ nicht treffender wäre – all das hört ihr in dieser Folge.
Buchempfehlungen von Uwe:
"Don't Make Me Think" von Steve Krug
"The Design of Everyday Things" von Don Norman
"Lean UX" von Jeff Gothelf
"The Creative Act" von Rick Rubin
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Transkript anzeigen
00:00:07: Hallo und herzlich willkommen bei Digital Future, dem Podcast zu Technologie
00:00:12: und Unternehmenskultur.
00:00:13: Mein Name ist Wolfgang Schoch und ich bin Agile Coach bei inovex.
00:00:17: Ich habe aber auch schon ein paar andere Sachen gemacht und so die IT-Branche
00:00:21: aus verschiedenen Blickwinkeln kennengelernt.
00:00:24: Zum Beispiel als Softwareentwickler, als Experte für Suchtechnologie oder im Vertrieb.
00:00:29: Ich freue mich, euch in jeder Folge des Podcasts eine Kollegin oder einen Kollegen
00:00:33: vorzustellen und mich mit ihr oder ihm über das jeweilige Fachgebiet zu unterhalten.
00:00:38: So bekommt ihr einen Einblick in unseren technologischen und unternehmenskulturellen Alltag.
00:00:44: In der heutigen Folge spreche ich mit meinem Kollegen Uwe Timmel über das Thema
00:00:48: User Experience, kurz UX.
00:00:51: Uwe blickt auf sehr viel Berufserfahrung in diesem Bereich zurück und damit
00:00:56: ist er auch der richtige Gesprächspartner, um endlich mal zu klären,
00:00:59: was UX eigentlich ist und wie es sich von anderen Begriffen wie User Interface
00:01:04: Design oder auch Frontend Engineering unterscheidet.
00:01:07: Wir sprechen außerdem darüber, welche Bedeutung UX eigentlich hat und warum
00:01:12: man sich für ein erfolgreiches Projekt von Anfang an mit der User Experience beschäftigen sollte.
00:01:18: Und jetzt wünsche ich euch viel Spaß beim Zuhören.
00:01:21: Hallo Uwe, ich freue mich richtig auf unser Gespräch, denn heute werden wir
00:01:26: mal einen Begriff klären, von dem ich glaube, dass ich nicht so hundertprozentig
00:01:31: weiß, was der eigentlich bedeutet.
00:01:33: So als kleiner Spoiler vielleicht für die Folge.
00:01:35: Aber bevor wir mit diesem Begriff anfangen, lass uns doch lieber mal mit dir anfangen.
00:01:40: Uwe, wer bist du eigentlich? Wie lange arbeitest du schon bei inovex?
00:01:44: Und was machst du so den lieben langen Tag, wenn du nicht gerade hier mit mir
00:01:48: einen Podcast aufnimmst?
00:01:50: Ja, hi Wolfgang. Das ist gar nicht so trivial zu beantworten,
00:01:55: was ich hier tue. Ich fange mal mit den einfachen Sachen an.
00:01:58: Ich bin seit 1. Januar 25 bei inovex.
00:02:02: Meine Rolle heißt Chief Creative Officer.
00:02:06: Ich mache UX.
00:02:09: Das ist der Begriff, den wir gleich versuchen wollen zu definieren.
00:02:12: Ja.
00:02:14: Das ist ein weites Feld, in dem ich seit tatsächlich ungefähr 25 Jahren beruflich tätig bin.
00:02:20: Als ich angefangen habe, gab es den Begriff noch nicht.
00:02:24: Und ich glaube, wir kommen gleich drauf. Ich finde, es ist auch Zeit,
00:02:27: dass der Begriff sich langsam schlafen legt.
00:02:30: Der steht für User Experience Design. Das heißt, es geht darum,
00:02:35: in unserem Zusammenhang vor allem Software, wie funktioniert sie und wie sieht
00:02:41: sie aus, also Konzept und Oberflächengestaltung von Software.
00:02:47: Ja, du hast gerade schon gesagt, dass du seit 25 Jahren in dem Thema unterwegs
00:02:53: bist und UX ist ein Begriff, den kenne ich glaube ich auch schon mein ganzes Berufsleben lang.
00:02:59: Ich muss aber ehrlich sein, so 100 Prozent könnte ich den jetzt nicht definieren,
00:03:05: denn es gibt ja UX, dann gibt es irgendwie noch UI,
00:03:09: dann gibt es noch irgendwie Frontend-Leute, so Frontend-Engineering und ich
00:03:14: glaube, wenn wir in der Zeit ein bisschen zurückgehen, vielleicht gerade die
00:03:16: 25 Jahre, da gibt es wahrscheinlich auch noch den guten alten Webdesigner,
00:03:21: und irgendwie hat das zumindest doch alles was miteinander zu tun und wird vielleicht
00:03:26: auch teilweise so synonym verwendet.
00:03:28: Ja, absolut. Wenn wir tatsächlich mal in der Zeit zurückgehen, ich glaube,
00:03:34: dass der Begriff UX oder UX Design auch um das Jahr 2000 rum,
00:03:39: als so in Deutschland der Dotcom-Boom stattfand, zumindest in Amerika schon gängig war.
00:03:45: Da gibt es so die ersten Protagonisten Nielsen und Norman, das sind so Pioniere
00:03:49: der Usability und die haben relativ früh über User Experience gesprochen.
00:03:57: In Deutschland war, als ich anfing, beruflich mich mit dem Thema Gestaltung
00:04:02: von Software zu befassen, überhaupt noch nicht gängig.
00:04:05: Wie du sagtest, da gab es Webdesigner, das waren aber in aller Linie keine Designer,
00:04:11: sondern Frontendentwickler.
00:04:13: Ja, und das waren die Leute, die halt letztendlich alles gemacht haben, oder?
00:04:16: HTML, ein bisschen JavaScript, irgendwann gab es mal CSS und das waren so die
00:04:22: Leute, die die ganze Magie beherrscht haben, um dann irgendwie eine Website
00:04:26: zu produzieren, die zumindest funktional war. Genau.
00:04:31: Und naja, da gab es ja schon auch durchaus Gestaltungsanspruch.
00:04:34: Ich habe damals, also mein erster richtiger Job war bei der damaligen Web.de in Karlsruhe.
00:04:41: Und gerade als ich da anfing, entstanden die Portale, die Web.de Portale.
00:04:47: Wer sich daran erinnert, die Älteren mögen sich daran erinnern.
00:04:51: Web.de fing eigentlich an mit
00:04:53: So eine Art Protosuche, die in Wirklichkeit ein Katalog war,
00:04:58: also ein menschlich aufgestellter Katalog von deutschen Internetseiten.
00:05:02: Und das zweite Produkt war Freemail, also ein E-Mail-Produkt letztendlich.
00:05:08: Daran kann ich mich noch gut erinnern. Aber warte mal, war das nicht so,
00:05:12: dass es damals auch für diese Free-Mail von Web.de Werbung gab auf so Produkten,
00:05:18: die man im Supermarkt kaufen konnte?
00:05:19: Ich glaube bei Müllermilch oder so auf diesen Bechern war irgendwie Werbung
00:05:23: drauf, dass es da eine kostenlose E-Mail-Adresse gibt, was ja wirklich krass war zur damaligen Zeit.
00:05:28: Ja, absolut. Ich möchte meine Hand nicht dafür ins Feuer legen,
00:05:32: aber ich glaube, Web.de war damals auch der First Mover in Deutschland.
00:05:38: Also es gab Microsoft Hotmail, man konnte ja einen Hotmail-Account natürlich
00:05:41: auch als deutscher User machen, aber ich meine, dass Web.de FreeMail so der
00:05:46: erste Protagonist war auf dem deutschen Markt und auch durchaus kreativ eingestiegen.
00:05:51: Eleganter Übergang zugleich, Kommerzialisierung des Internet.
00:05:55: Ich glaube, in meiner Erinnerung ist es so, dass das einherging,
00:06:00: die Ausdifferenzierung von Rollen
00:06:02: in der Erstellung von Websites und die Kommerzialisierung des Angebots.
00:06:06: Wir haben ja zuerst sehr, sehr einfache Internetseiten mit Text und Links.
00:06:13: Und irgendwann kam dieser Gestaltungsanspruch dazu, jetzt nochmal zu den Web.de-Portalen.
00:06:18: Da ging es also darum, ein breites inhaltliches Angebot aufzubauen als dritte
00:06:24: Komponente neben der Mail und dem Katalog. Und das waren wirklich Themenportale,
00:06:30: so wie, keine Ahnung, Sport natürlich, Nachrichten.
00:06:33: Web.de hatte damals eine der wesentlichen Online-Zeitungen.
00:06:37: Spiegel Online gab es schon und dann gab es die Seite 1 von Web.de und dann
00:06:40: kam irgendwann noch die Netz-Zeitung und so.
00:06:43: Und das waren natürlich dann schon sehr gestaltete Seiten.
00:06:46: Heute würde man sagen, okay, kleinteilig Briefmarken, große Fotos sind grauenhafter
00:06:52: Qualität, aber es gab einen Gestaltungsanspruch.
00:06:54: Die Komplexität wuchs und dadurch, glaube ich, differenzierten sich langsam Rollen raus.
00:07:00: Dann gab es neben den Entwicklern, also den Web-Designern in Anführungszeichen,
00:07:06: gab es dann Screen-Designer, die tatsächlich Layouts gemacht haben.
00:07:10: Und irgendwann kam mit der weiteren Kommerzialisierung natürlich auch Bezahldienste.
00:07:17: Man konnte sich ein T-Shirt bestellen, ein individuell bedrucktes T-Shirt mit Wunschtext.
00:07:22: Und dann braucht man natürlich eine Bestellstrecke. Man hat eine viel,
00:07:25: viel höhere Komplexität als nur Links und Texte.
00:07:28: Es braucht eine gewisse User Journey. Das waren dann auch so die Begriffe, die aufkamen.
00:07:33: Und da kam dann diese Konzepter-Rolle ins Spiel.
00:07:38: Also eine Person, die nicht direkt ein Design macht und eine Person,
00:07:40: die nicht direkt was programmiert, sondern die sich erstmal damit beschäftigt,
00:07:44: wie das eigentlich konzeptionell zusammenhängt und was die User vielleicht brauchen,
00:07:48: wie sich die User durch so ein Produkt bewegen, durchklicken und so weiter.
00:07:51: Und letztendlich ist das für mich so die Keimzelle des UX-Konzepters.
00:07:56: Das heißt, wir haben dann so einen Dreiklang von Rollen. Wir haben den Konzepter.
00:08:00: Das wäre für mich der Begriff UX, User Experience, der sich damit befasst,
00:08:04: wie sind die Anforderungen, wie kann ich die so umsetzen, dass das verständlich
00:08:08: ist und vielleicht sogar, also Ease of Use ist ja so ein Stichwort,
00:08:12: vielleicht sogar ein bisschen Joy of Use dazukommt.
00:08:15: Und dann gibt es den UI Designer, User Interface Designer, der sich dann darum
00:08:19: kümmert, wie dieses Konzept tatsächlich gestalterisch umzusetzen ist.
00:08:23: Und dann gibt es den Entwickler oder immer natürlich auch die Entwicklerin,
00:08:28: die sich dann darum kümmern, wie das Ganze dann in Code umgesetzt wird. Und das wäre so die,
00:08:36: Vielleicht die Uraufstellung von UX und Webentwicklung.
00:08:41: Ja, ich habe den Eindruck, dass das aber heute auch zumindest in der Wahrnehmung
00:08:47: oftmals eine Person ist, die diese Rollen innehat.
00:08:51: Also ich merke das ja auch in den Projekten, die ich die letzten 20 Jahre gemacht habe.
00:08:57: Früher gab es gar niemanden für UI oder UX, sondern da gab es halt wirklich nur die Webdesigner.
00:09:02: Und ich habe sowas früher auch gemacht.
00:09:04: Ich habe auf der einen Seite Java programmiert und HTML programmiert.
00:09:07: Und meine Oberflächen, die waren sehr funktional.
00:09:13: Die waren eben nicht designt, sondern programmiert. Aber ich habe auch heute
00:09:16: immer noch den Eindruck, auch im
00:09:18: Gespräch mit Kunden, dass da diese Differenzierung gar nicht stattfindet.
00:09:23: Vielleicht, weil es sich sehr ähnlich anhört. Vielleicht, weil man das oft auch
00:09:27: in einem Atemzug nennt, also UX und UI-Design und das selten so separat aufgeführt wird?
00:09:35: Da hast du natürlich völlig recht. Was ich gerade erzählt habe,
00:09:38: ist natürlich die Innsicht oder, wenn du so möchtest, die Wunschperspektive.
00:09:43: So möchten wir vielleicht wahrgenommen werden und es wäre unser Wunsch,
00:09:48: dass alle diese Rollen zum richtigen idealen Zeitpunkt im Softwareentwicklungslebenszyklus
00:09:55: zum Tragen kommen, eine Rolle spielen dürfen.
00:09:57: Das sehen die Kunden nicht immer so und das hat eine ganze Reihe von Gründen.
00:10:04: Ich gebe dir aber völlig recht, erstmal die Problemanalyse.
00:10:08: UX ist oft in den Augen eines Kunden, der in erster Linie ein Softwareproblem
00:10:14: gelöst haben möchte, immer noch optional.
00:10:18: Und wenn nicht optional, dann zumindest etwas, was relativ spät im Prozess an Bord kommt.
00:10:24: Kunden neigen ja oft dazu, zu sagen, okay, wir verstehen unsere Anforderungen
00:10:29: sehr gut und damit verstehen,
00:10:32: Meinen Sie eigentlich die Anforderungen Ihrer Kunden, also der End-User?
00:10:37: Und meine Erfahrung ist, dass sich gerade nicht so softwareaffine Kunden da oft vertun.
00:10:46: Also die überschätzen ihre Durchdringung der Probleme tendenziell.
00:10:55: Und wenn ich aber der Meinung bin, dass ich meine Anforderungen sehr genau kenne,
00:10:58: dann habe ich natürlich kein intrinsisches Bedürfnis, da noch Geld für Workshops
00:11:02: auszugeben und so weiter.
00:11:04: Also ich sage erst mal, ich kenne meine Anforderungen und ich suche mir jetzt
00:11:07: einen Dienstleister zum Beispiel,
00:11:09: der mir diese Anforderungen in ein Stück Individualsoftware umsetzt.
00:11:13: Und dann spielt, wie du gerade so schön gesagt hast, UX, UI ja oft nur eine
00:11:19: Rolle im Sinne von, wie wir früher gesagt hätten, Screen Design.
00:11:22: Also da kommt tatsächlich ein UI-Designer oder eine UI-Designerin und macht ein paar Layouts.
00:11:29: Ja.
00:11:30: So, das ist ein ganz wichtiger Punkt und das ist ein ganz wichtiger Kernbestandteil
00:11:37: vom UX-Workflow, die UI-Designs.
00:11:40: Ich bin nur der Meinung, dass es nicht der einzige sein sollte,
00:11:43: sondern einer, der sogar relativ spät in einem UX-Prozess kommt.
00:11:47: Wenn ich nämlich mich vorher darum gekümmert habe, sind die Anforderungen komplett
00:11:52: durchdrungen, verstehe ich die Bedürfnisse der Nutzer vollständig und Nutzer
00:11:56: in dem Zusammenhang Business Needs, also Anforderungen des Kunden,
00:11:59: aber auch Anforderungen der End-User.
00:12:01: Und dann kann ich konzeptionell an die Software rangehen.
00:12:06: Das mache ich auch nicht als Designer oder als UX-Konzepte alleine idealerweise,
00:12:11: sondern schon in einem interaktiven.
00:12:15: Interdisziplinären Team. Und erst dann, wenn ich weiß, wie es funktioniert,
00:12:23: sollte ich mich ja damit beschäftigen, wie es aussieht.
00:12:26: Aber wie du sagst, das ist,
00:12:30: Ein ganzer Prozess und auf Kundenseite wird der gerne ausgeblendet oder als
00:12:37: optional gesehen oder eben nur sein letzter Teil,
00:12:40: das UI-Design, ist was Bekanntes oder ist was, mit dem der Kunde was anfangen kann.
00:12:46: Vielleicht auch deswegen, weil das halt die am leichtesten zu begreifenden Assets produziert.
00:12:56: Also ich sag mal, ein fertiges UI-Design ist halt dem fertigen Produkt,
00:13:00: also der Software schon so ähnlich, dass ich dazu auch als von Design völlig
00:13:08: unbeleckter Mensch eine Meinung haben kann. Also gibt es das auch in grün.
00:13:13: Ja, absolut. Und ich glaube, ein großes Problem ist tatsächlich,
00:13:20: dass natürlich Kunden oft einen sehr guten Blick für ihr Kerngeschäft haben,
00:13:25: aber halt keine Erfahrung in der Softwareentwicklung.
00:13:29: Und wenn wir mal als Beispiel vielleicht einen Online-Shop nehmen oder ein Unternehmen,
00:13:33: das im Online-Shop irgendwie Fahrräder verkauft,
00:13:36: dann kennt sich das Unternehmen wahrscheinlich mit der Fahrradbranche hervorragend
00:13:39: aus, mit Fahrrädern hervorragend aus, aber vielleicht halt nicht mit den Möglichkeiten
00:13:45: und auch mit den ganzen Präferenzen, die halt User haben, die im Internet irgendwie was einkaufen.
00:13:50: Und oftmals sind es ja wirklich Kleinigkeiten, die einen riesen Unterschied machen.
00:13:53: Und ich weiß nicht, wie du das siehst, aber ich finde, also mir fällt es sehr
00:13:59: schwer, mir oft so komplexe Dinge vorzustellen.
00:14:01: Ich muss mir Dinge immer aufschreiben oder aufmalen, um komplexe Dinge zu erfassen.
00:14:06: Und bei so einem Einkaufsprozess oder wenn man vielleicht einen Online-Konfigurator
00:14:10: hat, wo ich mir alle möglichen Anbauteile zusammen konfigurieren kann, in der Vorstellung.
00:14:16: Ist das eine gute Sache, aber ich müsste das sehen und mal ausprobieren und
00:14:20: zu wissen, ob es wirklich gut ist.
00:14:22: Und ich glaube, hier kann uns ja User Experience Design auch helfen,
00:14:27: solche Dinge einfach mal greifbar zu machen, bevor die jetzt entwickelt wurden
00:14:31: und dann vielleicht echt viel Geld gekostet haben,
00:14:33: weil da ist ein ganzes Team irgendwie ein paar Wochen dran gearbeitet hat und
00:14:37: wenn man dann halt feststellt, ah nee, eigentlich möchten wir es doch anders haben.
00:14:42: Jetzt, wo wir es anfassen können, merken wir, das ist es nicht.
00:14:45: Ja, total. Also erstmal, Fahrräder sind ein hervorragendes Beispiel,
00:14:49: weil ich wahnsinnig gerne und häufig Rennrad fahre.
00:14:52: Ich auch.
00:14:54: Und da natürlich einige schon sehr gemischte Erfahrungen insbesondere mit Online-Shops
00:15:00: für Fahrräder gemacht habe. Ich finde, es gibt ein paar tolle Beispiele.
00:15:04: Gerade die Direktversender, also zum Beispiel ohne jetzt Werbung machen zu wollen,
00:15:09: Canyon. Also der Shop von Canyon.com ist wirklich in meinen Augen ein sehr,
00:15:15: sehr gelungener Online-Shop für Fahrräder.
00:15:17: Die schaffen da eine sehr schöne Balance, ihre Marketinggeschichte zu erzählen
00:15:23: mit ihren Profiteams und das Gefühl rüberzubringen, sei es jetzt Mountainbike,
00:15:29: einfach immer tolle Fotografie, tolle Bilder,
00:15:32: Produkte super aufbereitet und dann aber auch einfach auf der harten Seite echt
00:15:36: eine gut durchdachte Bestellstrecke.
00:15:39: Das trifft jetzt keine Aussage über die Qualität der Fahrräder.
00:15:42: Ich habe kein Canyon-Fahrrad, da kann ich es nicht beurteilen.
00:15:46: Und auf der anderen Seite hast du dann die großen Portale der großen Fahrradhändler,
00:15:51: die sich irgendwie anfühlen wie
00:15:53: Web 1.0 und wo eben dieses Produktfahrrad überhaupt nicht erlebbar wird.
00:15:58: Und das ist ein sehr schönes Beispiel, was da UX und UI leisten kann,
00:16:02: um einfach so ein Online-Produkt, in dem Fall einen Online-Shop,
00:16:07: wirklich erfolgreich zu machen.
00:16:09: Aber auf deinen ursprünglichen Punkt zurückzukommen, das spricht dann in meinen
00:16:17: Augen total wesentlichen Aspekt an.
00:16:19: Wenn wir jetzt mal davon ausgehen, dass für viele Kunden das,
00:16:23: was wir so als komplettes UX-Angebot oder breites UX-Angebot sehen,
00:16:30: in weiten Teilen optional ist.
00:16:32: Das heißt ja auch, dass sie den Nutzen vielleicht noch nicht sehen oder verstanden
00:16:36: haben und dass das also ein durchaus erklärungsbedürftiges Angebot ist.
00:16:41: Was wir da haben. Absolut, absolut.
00:16:42: Und diese Erklärung, die kann man natürlich emotional machen und die muss man
00:16:47: auch zu einem Teil emotional machen, aber die muss man natürlich auch zu einem
00:16:50: Teil Kaufmensch machen. Also man muss natürlich dem Kunden erklären können.
00:16:55: Was habe ich denn davon, wenn ich diese erstmal Mehrkosten für frühe Projektphasen,
00:17:01: für UX-Konzeptionen, für Workshops zur Product Discovery und so weiter,
00:17:05: wenn ich das zusätzlich bezahle?
00:17:08: Was nützt mir das denn hinten raus? Und das sind natürlich Argumente wie,
00:17:12: naja, die Qualität wird besser.
00:17:15: Aber Qualität ist ja, wie das Wort schon sagt, naturgemäß etwas schwer messbar
00:17:20: und oft im Auge des Betrachters.
00:17:22: Das heißt, man muss das auch in einer Form quantifizieren können, den Nutzen von UX.
00:17:26: Ja, also ich finde das Thema super spannend, aber auch super kompliziert,
00:17:32: weil man steckt ja in einem Dilemma drin.
00:17:34: Also wenn ich jetzt von mir ausgehe und ich denke, ich kann da auch für dich
00:17:38: und die ganzen anderen Kolleginnen und Kollegen hier sprechen,
00:17:42: wir möchten ja schon am Ende des Tages eine gute Arbeit abliefern.
00:17:46: Im Einzelnen, wenn ich jetzt was programmiere oder was designe,
00:17:50: aber auch als Unternehmen. Wir möchten ja was möglichst gut machen.
00:17:54: Und auf der anderen Seite möchten wir natürlich aber auch Kunden, die uns dafür bezahlen.
00:17:59: Und wenn es jetzt sowas gibt wie User Experience Design und wir davon überzeugt
00:18:05: sind, das ist eine Komponente,
00:18:07: um Software möglichst gut zu machen, mit einer hohen Qualität etc.,
00:18:12: dann ist es schon schwierig, das auch so am Markt überhaupt zu vertreten und
00:18:18: zu erklären, dass es erkannt wird.
00:18:19: Denn es ist ja keine Hohlschuld von den Kunden, sich vorher zu informieren,
00:18:25: was brauchen wir denn alles, sondern es ist ja dann eher schon auch unser Auftrag,
00:18:29: Kunden davon zu überzeugen, dass es eine gute Sache ist.
00:18:32: Und das finde ich schon schwierig.
00:18:34: Und du, ich erinnere mich auch an Projekte, noch in einer anderen Firma,
00:18:37: in der ich tätig war, vor 20 Jahren oder so, da wurde viel darüber diskutiert,
00:18:42: ob man jetzt Testing eigentlich bezahlt.
00:18:44: Also da war es nicht so wie heute, dass man so testgetrieben entwickelt und
00:18:48: dass sich diese Frage gar nicht mehr stellt.
00:18:50: Ich kenne auch solche Angebote, da stand dann drin, okay, so und so viele Stunden
00:18:55: für Softwareentwicklung, also fürs Programmieren, wo man wirklich den Mehrwert
00:18:59: schafft und dann nochmal, weiß nicht, 10% vielleicht nochmal für Testing.
00:19:03: Und da kann ich mich an Kunden erinnern, die dann wirklich so sinngemäß gesagt
00:19:07: haben, nö, also das bezahle ich nicht, weil ihr seid ja Experten,
00:19:10: ich bezahle euch ja dafür, dass ihr gute Arbeit leistet, dann sehe ich nicht
00:19:14: ein, dass ich noch bezahlen muss und ich kann mich auch erinnern,
00:19:16: dass dann Unternehmen gesagt haben, okay,
00:19:18: dann verzichten wir drauf und das ging aber immer in die Hose.
00:19:22: Und heute ist da, glaube ich, an der Stelle schon das Verständnis da,
00:19:25: dass man da nicht mehr drüber diskutieren muss über Aufwände vom Testen,
00:19:29: sondern das ist ein Teil der Softwareentwicklung einfach und man weist es auch
00:19:33: nicht mehr aus, wie viele Stunden man jetzt Code geschrieben hat und dediziert
00:19:37: irgendwie was getestet hat vielleicht oder einen Bug gefixt hat.
00:19:40: Aber ich habe den Eindruck, bei sowas wie User Experience ist es auf jeden Fall so.
00:19:45: Ja, also würde ich vielleicht noch ein bisschen differenzieren wollen.
00:19:49: Es gibt, also du hast vollkommen recht, es gibt einerseits diesen allgemeinen
00:19:52: Sachverhalt, dass User Experience offensichtlich noch nicht ganz im Herzen der
00:19:58: Softwareentwicklung angekommen ist Und andererseits natürlich auch immer speziell,
00:20:03: jetzt im Fall unseres gemeinsamen Unternehmens, inovex, dass wir vielleicht
00:20:09: in der Wahrnehmung der Kunden noch gar nicht so positioniert sind.
00:20:14: Das heißt, wir haben super tolle UX und UI-Kollegen und Kolleginnen,
00:20:19: die schon seit Jahren hier einen spitzen Job machen.
00:20:24: Aber in der Außenwahrnehmung sind wir, glaube ich, in erster Linie doch als
00:20:30: Individualsoftwareentwickler positioniert.
00:20:33: Das heißt, wenn wir jetzt einen Kunden haben, der ein Bedürfnis hat für Product
00:20:39: Discovery, der das auch selber weiß, dann ist er vielleicht gar nicht sicher,
00:20:44: dass er das bei uns bekommt.
00:20:46: Obwohl die Leute an Bord sind und das können.
00:20:50: Und da kann ich dann vielleicht einen Teil der Frage von vor zehn Minuten bearbeiten,
00:20:54: das sehe ich als Teil meines Jobs,
00:20:57: die Kunden dahingehend zu informieren, dass wir das können,
00:21:02: dass wir das gerne machen möchten und dass das für uns ein integraler Teil von
00:21:07: Softwareentwicklung ist und dass wir davon überzeugt sind, dass die Qualität
00:21:11: hochgeht und die Kosten tendenziell runter, aber zumindest nicht steigen.
00:21:16: Wie siehst du das dann aktuell auf dem Markt, so die Bedeutung von UX?
00:21:22: Ist das was, was wirklich in der Breite des Marktes überall bei entsprechenden
00:21:27: Dienstleistern anzutreffen ist?
00:21:29: Oder ist das was, was sich noch, ich weiß nicht, entwickelt?
00:21:33: Also es gibt ja schon seit einigen Jahren auf dem US-Markt den Trend, dass bis dahin,
00:21:43: Selbstständige Agenturen, spezialisierte UX-Anbieter von Produktunternehmen erworben werden.
00:21:51: Das heißt, da ist offensichtlich das Bewusstsein da,
00:21:57: jetzt weniger bei, ich sag mal, IT-Beratung, sondern wirklich Produktunternehmen
00:22:02: UX als Kern oder als Teil ihres Produktkerns zu betrachten.
00:22:10: In Deutschland sehe ich es ein bisschen differenzierter. Wir haben hier tatsächlich
00:22:14: eine doch sehr kleinteilige Agenturszene.
00:22:18: Also es gibt viele sehr, sehr kleine UX, UI-Anbieter.
00:22:25: Es gibt natürlich auch ein paar große Agenturen, die auch sehr erfolgreich sind.
00:22:32: Die Integration scheint mir nicht ganz so hoch wie auf dem US-Markt.
00:22:38: Ich glaube aber schon, dass das immer mehr gesehen wird, dass UX da auch ein
00:22:45: wesentliches Erfolgskriterium mit ist.
00:22:48: In meinem letzten Unternehmen zum Beispiel war das sogar der Grund, mich einzustellen.
00:22:55: Vor etwa zehn Jahren, da hieß es, okay, wir sind eine IT-Beratung,
00:22:58: wir machen viel Individualsoftware.
00:23:00: Die Kunden verlangen immer mehr auch UX-Dienstleistungen und frühe Projektphasen, Product Discovery.
00:23:06: Wir können das selber bisher nicht. Wir machen das mit Dritten,
00:23:09: mit Agenturen zusammen.
00:23:11: Wir hätten das gerne in-house. Bauen sowas auf.
00:23:14: Ich kann ja absolut nachvollziehen, dass man dann auch die Skills im Haus haben
00:23:20: möchte, damit man da einfach viel dynamischer und flexibler mit umgehen kann.
00:23:24: Wobei das natürlich auch wieder eine Innsicht war. In dem Fall eine Innsicht
00:23:28: von einem Softwareberatungshaus und das heißt natürlich nicht,
00:23:34: dass auch deren Kunden schon so weit waren in jedem Fall.
00:23:39: Also auch da war das natürlich erklärungsbedürftig und das waren genau die Herausforderungen,
00:23:43: die du auch gerade geschildert hast, dass man natürlich immer wieder erklären
00:23:46: muss, was ist der Nutzen, was haben wir eigentlich davon, wenn wir das mitbeauftragen.
00:23:51: Aber das ist ja eigentlich Teil eines größeren Dings. Wir reden ja hier jetzt
00:23:55: immer über UX, okay, das ist halt auch zufällig mein Thema, für das ich brenne,
00:23:58: aber Aber das ist ja immer nur ein Teil von einem interdisziplinären Team.
00:24:03: Und was wir sagen, ist ja gar nicht, hey, wir sind total wichtig,
00:24:08: wir sind essentiell für den Erfolg, sondern...
00:24:11: Wir werben ja eigentlich dafür, wir möchten Teil des Teams sein.
00:24:15: Wir möchten genau so ein natürlicher Teil sein im Softwareentwicklungsprozess
00:24:20: wie eben die Entwickler, Entwicklerinnen, wie eben die Product People,
00:24:24: wie die agilen Projektmanager und so weiter.
00:24:26: Ja, es ist aber auch so ein bisschen so eine Art Evolution oder also wenn ich
00:24:30: mir Softwareentwicklung anschaue und vielleicht auch mal die letzten 30,
00:24:33: 40 Jahre Revue passieren lasse, am Anfang gab es halt nur die Leute,
00:24:37: die Code geschrieben haben und das war okay und du hast ein Terminal gehabt,
00:24:41: um das zu bedienen und vielleicht später mal eine Textoberfläche,
00:24:43: aber da hast du niemanden gebraucht, der da spezielle Skills mitbrachte,
00:24:48: das waren die gleichen Leute irgendwo und dann haben sich ja schon auch so verschiedene
00:24:52: Disziplinen herausdistilliert, also keine Ahnung, Also ich komme aus dem agilen Bereich.
00:24:58: Das ist ja seit mittlerweile auch 25 Jahren sicherlich so eine Sache,
00:25:03: die heute Standard ist, unterschiedlich gelebt wird.
00:25:06: Aber ich glaube, das ist schon irgendwie
00:25:07: so Common Sense, dass man keine Wasserfallentwicklung mehr macht.
00:25:11: Und ich habe echte Wasserfallprojekte noch erlebt mit 1000 Seiten Spezifikation.
00:25:17: Die waren nicht schön.
00:25:19: Und ich glaube, sowas, was du jetzt sagst, ist halt auch was,
00:25:23: was sich so ein bisschen rausdestilliert, wo man halt auch vielleicht lernen
00:25:26: muss, dass es Teil ist, weil ich meine, ich erzähle auch seit Jahr und Tag,
00:25:30: dass so ein interdisziplinäres Team großartig ist, dass ich nicht nur mit Leuten
00:25:35: aus der Entwicklung zusammenarbeiten möchte, sondern ich brauche auch jemanden
00:25:38: vom Kunden, ich brauche auch jemanden aus einer Fachabteilung.
00:25:40: Und wenn es ein Produkt ist für Endkunden, im Idealfall auch jemanden aus dem
00:25:44: Vertrieb, der da seine Erfahrung mit einfließen lässt.
00:25:48: Und so ist das ja jetzt in deinem Bereich auch.
00:25:52: Also ganz isoliert könnt ihr ja da auch nicht wirklich Großartiges machen,
00:25:58: weil euch fehlt der Input einfach, euch fehlt das Feedback und die Perspektive
00:26:01: von den anderen Bereichen.
00:26:03: Genau, also das ist absolut richtig. Wir arbeiten nicht im luftleeren Raum.
00:26:10: Wir machen, wir hatten es im Vorgespräch kurz davon, wir machen keine Kunst,
00:26:14: sondern wir versuchen ja Probleme zu lösen, Probleme von echten Usern.
00:26:19: Das können Business-User sein, also unsere Auftraggeber in der Individualsoftware-Entwicklung.
00:26:24: Das sind aber auf jeden Fall die End-User, die das Produkt dann benutzen.
00:26:29: Und das ist natürlich erstmal zwingend ein Input, den wir brauchen.
00:26:33: Wir müssen die Anforderungen möglichst gut durchdringen und verstehen es natürlich, was...
00:26:40: Eine empathische Qualität, die man da mitbringen sollte.
00:26:43: Aber da geht es natürlich auch knallhart um Informationen, die wir einfach brauchen.
00:26:48: Die können wir uns teilweise selber beschaffen, aber viel ist es auch einfach
00:26:53: Zusammenarbeit mit dem Kunden.
00:26:54: Und deshalb ist auch immer meine Bitte, lasst uns möglichst früh miteinander
00:26:59: sprechen, lasst uns an Tag eins miteinander sprechen, bevor das eigentlich ein Projekt ist.
00:27:04: Lasst uns am besten schon mit dem Kunden sprechen, wenn der Kunde erst einen
00:27:08: dumpfen Schmerz spürt und noch gar nicht unbedingt die Ursache seines Schmerzes
00:27:12: kennt und lasst uns dann Abhilfe für diesen Schmerz gemeinsam bauen.
00:27:19: Aber fand ich ganz interessant, was du gerade gesagt hast, das hat sich so über
00:27:22: die Zeit rausentwickelt.
00:27:24: Ich glaube, da gab es ein paar Paradigmenwechsel, die das sehr beschleunigt haben.
00:27:30: Als wir angefangen haben, war Internet und auch ein Stück weit Software noch
00:27:38: ein bisschen was für eine kleine gesellschaftliche Gruppe.
00:27:41: Das hatte noch nicht das Leben der allgemeinen Gesellschaft so stark durchdrungen.
00:27:47: Du konntest 1999, 2000 mühelos ein erfolgreiches Leben führen,
00:27:53: ohne dich mit irgendwelchen elektronischen Geräten und deren Software zu befassen.
00:27:58: Das ist heute nicht mehr so. Und sicherlich ist ein Wendepunkt 2007 das erste iPhone.
00:28:06: Ja, kann ich mich noch gut erinnern, die Präsentation damals.
00:28:10: Ja, dass einfach das Internet mobil wurde, ganz blöd gesagt.
00:28:15: Und bis dahin auch relativ komplexe Anwendungen. Natürlich ging das auch schon vorher.
00:28:20: Natürlich konntest du das alles mit einem, keine Ahnung, Palm Trio oder mit
00:28:24: einem Nokia Communicator.
00:28:25: Nokia Communicator hatte ich damals, das war Hightech.
00:28:28: Genau, konntest du das auch schon machen. Oder wie hießen diese Dinger mit der
00:28:32: Tastatur, die die ganzen Manager hatten?
00:28:36: Das gab es natürlich alles schon. Es gab mobile E-Mails, es gab mobiles Internet.
00:28:40: WAP hieß das Protokoll, glaube ich. Und das,
00:28:44: Das war aber kein Massenphänomen und es war nichts, was irgendwie Otto Normalverbraucher
00:28:50: oder sagen wir noch besser meine Mutter benutzt hat,
00:28:56: um ihr alltägliches Leben zu organisieren und zwar sowohl in professioneller,
00:29:01: geschäftlicher als auch Entertainment und Freizeithinsicht.
00:29:04: Also diese Durchdringung, die ist jetzt halt einfach viel, viel stärker und spätestens damit,
00:29:10: dass alle, also auch bis dahin nicht affine Menschen jeden Tag immer in jeder
00:29:18: wachen Minute Software benutzen.
00:29:20: Ist natürlich der Anspruch an das Funktionieren und die Gestaltung von Software
00:29:25: explosionsartig gestiegen.
00:29:27: Du bist vor 25 Jahren, konntest du mühelos ein Expertensystem hinstellen für
00:29:33: Experten-User und die haben das dann sechs Wochen gelernt, wie man das bedient
00:29:37: und dann konnten die das bedienen.
00:29:39: Super, hat niemand gestört. Es gab auch keine andere Erwartungshaltung.
00:29:42: Ich möchte niemanden dissen, aber sagen wir mal Stichwort SAP Software.
00:29:47: Ja, und das war für superkomplexe Prozesse damals,
00:29:54: was weiß ich, zum Beispiel ERP-Lösungen oder so und das war halt einfach eine
00:29:59: Wüsteabfolge, aus heutiger Perspektive betrachtende Wüsteabfolge extrem kleinteiliger
00:30:03: Masken mit einer komplett inhärenten Logik.
00:30:06: Also die Software war ja teilweise so, dass, okay, das ist jetzt eine Standardsoftware
00:30:12: und wenn ich die für mein Geschäft benutzen möchte,
00:30:15: dann passt sich nicht die Software den Geschäftsprozessen an,
00:30:17: sondern ich muss meine Geschäftsprozesse der Software anpassen,
00:30:20: damit ich das digitalisiert bekomme oder sagen wir mal elektrifiziert.
00:30:24: Und das kannst du halt einfach nicht mehr bringen, weil jeder weiß und jede weiß,
00:30:30: auch super unerfahrene User wissen ganz genau,
00:30:35: ah, okay, das muss gar nicht so kompliziert sein, weil hier auf meinem,
00:30:37: auch da wieder keine Werbung, auch Android-Telefone funktionieren sehr gut,
00:30:41: hier auf meinem Telefon ist das aber alles viel einfacher und ich verstehe das
00:30:44: sofort und das ist super intuitiv und hübsch aussehen tut es auch noch.
00:30:47: Ja, und dann kann ich einfach mit so einem Expertensystem-Ansatz nicht mehr besonders weit kommen.
00:30:54: Weil natürlich die Ansprüche aus
00:30:55: der privaten Nutzung sich auch auf eine professionelle Nutzung übertragen.
00:30:59: Und schon deshalb haben wir natürlich ein leichteres Leben,
00:31:04: ein Stück weit, unsere Dienstleistung an den Kunden zu bringen,
00:31:10: weil natürlich immer vorausgesetzt im interdisziplinären Team sind die UX-Conceptor,
00:31:17: UI-DesignerInnen natürlich die, dafür sorgen, dass es gut funktioniert, sich gut anfühlt und,
00:31:24: am Ende schön aussieht.
00:31:25: Ja, und auch Spaß macht. Und vielleicht ist es heute ja auch so,
00:31:28: dass die Leute, die entscheiden müssen, also die Leute, die im Management sind,
00:31:32: die nutzen ja dann höchstwahrscheinlich auch privat irgendwelche Devices und
00:31:36: sind da auch verwöhnt und haben da vielleicht dann auch eine ganz andere,
00:31:41: Empfindsamkeit für ihre eigenen Produkte.
00:31:44: Denn ich glaube, wenn ich jetzt vielleicht privat irgendwie ein Smartphone habe
00:31:46: und ich komme da gut zurecht und es wirkt auf mich durchdacht und macht Spaß
00:31:50: und ich habe dann meine Business-Software,
00:31:53: wo ich noch irgendwelche Tastenkürzel braucht, und ja sowas kenne ich auch noch,
00:31:56: dass man dann auf Papier auch so Küsse aufgeschrieben hat oder den Klickpfad,
00:32:01: dann hat man da vielleicht auch ein ganz anderes Verständnis,
00:32:04: weil man dann auch wirklich, wie du es gesagt hast, sich so sagt,
00:32:07: okay, das muss aber gar nicht so sein.
00:32:09: Und ich glaube so im Consumer-Bereich, da mussten ja Unternehmen auch immer
00:32:14: um ihre Kunden buhlen und wenn du jetzt vielleicht ein tolles Konzept hattest,
00:32:18: eine tolle Usability etc., dann haben die User das vielleicht lieber verwendet, deins,
00:32:23: aber als Corporate Software Entwickler, boah,
00:32:26: da konnte es ja mit Arbeitsanweisungen die Leute dazu zwingen, das einfach zu nutzen.
00:32:30: Auf den ersten Blick ja. Natürlich ist der B2C Case offensichtlicher,
00:32:36: aber der B2B Case ist natürlich trotzdem genauso da.
00:32:42: Absolut.
00:32:43: Und auch schon lange. Also tatsächlich in meinem Job vorher hatten wir einen
00:32:47: extrem hohen Anteil professioneller Software,
00:32:52: gerade so Unternehmensprozesse, vielleicht sogar zum ersten Mal zu digitalisieren
00:32:59: typischerweise, aber sage ich mal diese 1.0 Digitalisierung,
00:33:03: die sprichwörtliche 15 bis 20 Jahre alte Java-Anwendung in die heutige Zeit zu holen.
00:33:09: Und ich muss den Kunden nicht gewinnen, sondern das ist meine Angestellte oder
00:33:15: mein Angestellter und die oder der muss diese Software benutzen.
00:33:19: Okay, aber trotzdem habe ich auch zum Beispiel aus Banken oft gehört,
00:33:24: dieser Prozess verursacht uns so viel Schmerz.
00:33:27: Wir brauchen diese Informationen einmal im Jahr, da ging es um Dokumentation
00:33:32: rechtlich relevanter Vorgänge, Risikobewertung in Banken.
00:33:38: Wir brauchen diese Informationen, wir brauchen sie pünktlich,
00:33:41: wir müssen sie kompilieren zu einem Bericht.
00:33:43: Die Leute müssen zum Jagen getragen werden, die weigern sich,
00:33:49: Wochen, Monate lang diese Informationen bereitzustellen. Wir kommen da nicht
00:33:53: ran. Wir müssen manuell hinterherlaufen.
00:33:55: Wir interviewen die teilweise und schreiben das dann selber auf.
00:34:00: Wie können wir das verbessern?
00:34:03: Die sprichwörtliche Java-Anwendung. Wir haben den Prozess analysiert.
00:34:08: Da sind wir wieder bei der Product Discovery, wenn man so will,
00:34:11: bei den frühen Phasen. Wir haben uns angeguckt, warum ist es für sie so schlimm?
00:34:16: Warum ist es für die End-User in der Bank so schlimm? Und es war relativ klar,
00:34:19: das war so ein Expertensystem.
00:34:21: Und die mussten das nur einmal im Jahr bedienen. Auch die schlimmste Software
00:34:25: kann man ja bedienen, wenn man es täglich macht. Irgendwann gewöhnt man sich dran.
00:34:29: Da denkst du nicht mehr nach.
00:34:30: Hast du einen Autopilot. Einmal im Jahr hieß halt für die Leute,
00:34:33: ich muss das jedes Mal neu lernen.
00:34:35: Ich muss mich jedes Mal neu damit beschäftigen. Eigentlich brauche ich jedes
00:34:38: Jahr eine Schulung. Die Schulung gibt es aber nicht mehr.
00:34:41: Und was wir gemacht haben, ist eigentlich nur, wir haben uns die User Journey
00:34:47: angeguckt und haben versucht, das in einer freundlichen, intuitive.
00:34:52: Oberfläche zu packen, die die gleichen Informationen abfragt,
00:34:56: die aber einfach möglichst einfach ist, möglichst niedrigschwellig die Hilfestellung gibt.
00:35:04: Also das sind ja die totalen Basics, die In-Place-Fehlermeldungen hat.
00:35:07: Wenn ich irgendwas falsch gemacht habe, kriege ich nicht Fehler Typ 57,
00:35:13: sondern ich kriege genau erklärt, wie es denn bitte sein sollte.
00:35:15: Ganz simple Sachen, also absolute Basisbausteine der UX.
00:35:21: Und das hat den Prozess absolut mühelos gemacht.
00:35:25: Die waren total happy und haben gesagt, sie sparen man Monate jedes Jahr in
00:35:31: diesem Prozess, weil sie jetzt einfach relativ schnell und in hoher Qualität
00:35:34: an die Informationen kommen. Und da sind wir dann bei der Quantifizierung des UX-Nutzens.
00:35:40: Da konnte man einfach sagen, wir sparen jedes Jahr so und so viele hunderttausend
00:35:44: Euro in diesem Prozess, einfach weil die Leute damit nicht so viel Arbeitszeit verschwenden.
00:35:48: Und der im B2C-Umfeld Hauptnutzen, es macht Spaß, klar, der ist da eher so nette Beigabe.
00:35:58: Da geht es dann um den harten Nutzen.
00:36:00: Ja, wobei ich glaube, was man nicht vergessen darf, du kannst das quantifizieren,
00:36:05: weil der Prozess schneller läuft jetzt.
00:36:07: Auf der anderen Seite, wenn du aber durch solche Maßnahmen weniger Frustration erzeugst,
00:36:15: ist es zwar nicht messbar, aber das wirkt sich ja auch positiv auf deine ganzen
00:36:18: Mitarbeitenden aus, wenn die einfach weniger frustriert sind durch die Software,
00:36:22: durch die sie halt durchquälen müssen. Na klar.
00:36:26: Und so ein bisschen der Meta-Nutzen, also für uns als,
00:36:30: UXer, UXerinnen oder auch für das Unternehmen, für das wir arbeiten,
00:36:35: war in dem Fall tatsächlich, dass dieser Zufriedenheitsaspekt so groß war,
00:36:39: dass die Nutzer das auch tatsächlich an ihre IT-Abteilung zurückgespiegelt haben.
00:36:45: Ey, das funktioniert jetzt richtig gut mit dieser Risikoanwendung,
00:36:49: mir fallen da noch sieben andere ein, lass uns doch bitte mal weiter mit denen zusammenarbeiten.
00:36:56: Das war tatsächlich, also das ist ja immer das Beste, das gilt aber für Entwicklung
00:37:01: ja genauso, dass wenn du ein gutes Projekt machst mit einer guten Qualität,
00:37:05: die Kunden sind happy, dann ist das halt der beste Vertrieb, den du machen kannst.
00:37:10: Also ich habe jetzt schon ein paar Sachen mitgenommen, Uwe. Zum einen auf alle
00:37:14: Fälle, dass so dieser Bereich UX,
00:37:18: dass es da auch durchaus um das Verständnis der Kundenprozesse geht,
00:37:23: vielleicht auch ein bisschen um Requirements Engineering,
00:37:26: wenn ich das so ein bisschen… Ja,
00:37:29: das gibt es aber heute immer noch.
00:37:31: Aber das spielt da so ein bisschen rein und auch irgendwo so die Schnittstelle, oder?
00:37:36: Also zwischen dem Kunden und vielleicht auch der Welt.
00:37:39: In der wir zu Hause sind, der technischen Welt, um das auch alles so ein bisschen
00:37:43: zusammenzubringen und den Kunden zu verstehen und dann vielleicht auch ein bisschen
00:37:48: zu challengen, ob die Idee 100% die beste ist?
00:37:52: Absolut. Super elegante Überleitung auch, Wolfgang. Wir hatten ja ganz am Anfang
00:37:56: mal gesagt, wir wollen auch den Begriff definieren.
00:37:57: Ja, ja, du würdest ihn gern zu Grave tragen. Jetzt ist der Zeitpunkt.
00:38:00: Aber definieren wir ihn erstmal, bevor wir ihn in den wohlverdienten Ruhestand schicken.
00:38:05: Ich finde, das ist, also was du beschreibst, ist so eine Art Idealzustand,
00:38:10: diese Schnittstelle oder ich
00:38:13: benutze mal vielleicht ein bisschen hinkende Analogie aus der Architektur.
00:38:18: Ein Architekt in der ganz klassischen Wahrnehmung war ja der Sachwalter des Bauherrn.
00:38:27: Also im Grunde genau so eine Vermittlerfigur, die einerseits natürlich den Entwurf
00:38:32: liefert, also in unserer Sprache Konzept und Design, andererseits sich auch
00:38:37: so ein bisschen darum kümmert, hinten raus den Bauprozess zu steuern,
00:38:41: Bauleitung zu machen, die Kontakte mit den Handwerkern zu übernehmen und so weiter.
00:38:45: Also kurz gesagt dafür sorgen, dass der Bauherr, die Bauherrin das fertige Produkt
00:38:51: so bekommt, wie besprochen und erwartet.
00:38:54: Andererseits aber nach vorne raus die Bedürfnisse, die Anforderungen der Bauherrschaft
00:38:58: versteht, aufnimmt und eben in Architektur übersetzt.
00:39:02: Und letztendlich ist das so eine Vermittlerrolle, die ich, wie gesagt,
00:39:08: als Idealbild für das UX-Feld genau so sehe.
00:39:12: Ja, nur dass wir halt nicht über Häuser reden, sondern über Software oder über Anwendungen.
00:39:16: Und das ist natürlich so ein bisschen...
00:39:22: Ausdifferenziert, wie wir ja jetzt schon gesagt haben. Also manchmal ist es dieselbe Person.
00:39:26: Früher war es fast immer eine und dieselbe Person, die eben sich mit Product
00:39:32: Discovery Konzeption, Design und dann vielleicht sogar noch mit Frontendentwicklung
00:39:37: befasst oder zumindest Teilen davon.
00:39:41: Ich finde es immer noch toll, möchte ich dazu sagen, heute in unserem,
00:39:47: ausdifferenzierten, superbreiten und supertiefen Feld, wenn Personen,
00:39:50: die in dem Feld arbeiten, nicht nur eine Vertiefungsrichtung haben,
00:39:54: sondern es ist immer besser, wenn zwei oder drei Interessengebiete da sind.
00:39:58: Also wenn jemand zum Beispiel gerne Konzeption macht, gerne Workshops macht,
00:40:01: aber trotzdem zum Beispiel auch noch im Design interessiert ist oder dann,
00:40:07: keine Ahnung, einfach ein beliebiges zweites Feld.
00:40:10: Das hat einerseits einen ganz pragmatischen Hintergrund.
00:40:13: Leute, die mehrere Sachen können, sind immer breiter einsetzbar und wir haben
00:40:18: als Softwarehaus natürlich immer die Herausforderung, unsere Kolleginnen und
00:40:23: Kollegen auch ins Projekt zu bringen.
00:40:26: Und wenn ich mehrere Skill-Komponenten habe, dann ist das in der Regel leichter,
00:40:30: als wenn ich hoch spezialisiert bin.
00:40:32: Aber es ist tatsächlich auch für den Arbeitsprozess besser, weil es ist natürlich
00:40:36: cool, wenn man eine Sache auch inhaltlich sinnvoll möglichst lang begleiten
00:40:39: kann, dass man möglichst wenig Schnittstellenverluste hat.
00:40:44: Aber es ist natürlich völlig okay und auch sinnvoll, sich zu spezialisieren
00:40:48: heute, weil im ganzen Feld ganz vorne dran zu bleiben und dann noch im Projekt
00:40:54: zu arbeiten, das ist schon eine sehr hohe Hürde. Also Spezialisierung ist da absolut sinnvoll.
00:40:59: Ich für meinen Teil habe immer Konzeptionen am liebsten gemacht,
00:41:05: aber trotzdem geht man vorher in die Workshops und baut nachher die Prototypen.
00:41:11: Der Super-UI-Designer war ich selber nie.
00:41:16: Ja, aber das ist ja auch, was du da ansprichst, ich glaube, in allen Bereichen
00:41:21: von unserem Wirken so, dass man sich auf irgendwas spezialisieren muss,
00:41:27: weil es sonst zu viel ist.
00:41:29: Also auch wenn ich in der Entwicklung bin und ich habe ja viele Jahre auch entwickelt,
00:41:33: auch übrigens viele von solchen Java Legacy Systemen, die du angesprochen hast,
00:41:37: da habe ich sicherlich auch das ein oder andere fabriziert damals.
00:41:43: Aber auch da musste man sich irgendwann mal spezialisieren, weil das Feld zu
00:41:47: groß ist und du nicht mehr jetzt wirklich zehn Themen auf einem hohen Level
00:41:51: irgendwie begleiten kannst, sondern sagst, ich habe die ein, zwei,
00:41:55: drei Themen, da bin ich fit drin, da arbeite ich auch viel in dem Bereich und
00:41:58: den Rest kenne ich halt so ein bisschen einfach oder auch ein bisschen mehr. Genau.
00:42:02: Aber lass uns nochmal zu dem Begriff kommen. Was ich wahrnehme,
00:42:07: ist ja tatsächlich, dass UX, UI, das ist quasi eins.
00:42:11: Also das ist ein Wort für UX, UI für viele.
00:42:14: Und wir hatten es ja schon so ein paar Mal zumindest angeschnitten.
00:42:19: Für mich ist, und das ist sicherlich eine umstrittene Definition,
00:42:23: für mich ist UX der umfassendere Begriff. Auf User Experience gibt es eine schöne
00:42:29: alte Definition wieder von diesen, ich glaube schon mal erwähnten Nielsen und Norman.
00:42:34: User Experience umfasst alle Aspekte des Kontakts eines Nutzenden mit einer Software.
00:42:43: Alle Aspekte, nicht nur Design, nicht nur Funktionalität, alle Aspekte.
00:42:48: Das ist die User Experience. Und davon abgeleitet kann man sagen,
00:42:51: User Experience kann man eigentlich gar nicht designen, weil ich kann nicht
00:42:56: die Interaktion einer dritten Person gestalten.
00:43:01: Ich kann in deren Kopf nicht rein, aber ich kann natürlich für eine gute User Experience arbeiten.
00:43:07: Und insofern ist für mich User Experience eher der umfassende Begriff und UI,
00:43:15: also User Interface Design, UID hat man tatsächlich früher auch gesagt,
00:43:20: ist ein Teilbereich davon.
00:43:22: Und genauso wäre dann Teilbereich Product Discovery oder UX-Konzeption oder
00:43:30: UX-Writing zum Beispiel auch ein wichtiger, oft vernachlässigter Teil.
00:43:35: Auch das Feld Barrierefreiheit hat da zumindest eine ganz große Schnittmenge.
00:43:38: Auf jeden Fall.
00:43:40: Und dann gibt es noch zehn weitere, die man jetzt sinnvoll nennen könnte.
00:43:44: Aber UX war da immer so ein bisschen, also zumindest in der Vergangenheit,
00:43:48: so ein bisschen für mich die große Blase außen drumherum.
00:43:51: Und da sind dann lauter kleinere Blasen drin, die sich unter Umständen auch
00:43:54: sinnvoll über eine Zeitachse oder über einen Softwareentwicklungsprozess anordnen.
00:44:00: Und jetzt ist tatsächlich der Punkt, warum bin ich mit dem Begriff eigentlich
00:44:04: gar nicht mehr so happy, das ist natürlich genau das, dass UX,
00:44:08: UI als Synonym für UI-Design benutzt wird.
00:44:11: Und wir meiner Meinung nach den wesentlichen Wertbeitrag von UX oder einen wesentlichen
00:44:21: Wertbeitrag von UX gar nicht erst im UI-Design erbringen, sondern viel, viel früher.
00:44:26: Viel, viel früher im Prozess und viel, viel früher in der gedanklichen Arbeit,
00:44:29: sprich Anforderungsermittlung, Empathie, Verständnis und so weiter.
00:44:33: Und das dann konzeptionell umsetzen. Und indem ich UX, UI so benutze,
00:44:38: wie es heute halt weithin verstanden wird, schneide ich das immer ab und rede
00:44:44: eigentlich de facto über UI-Design.
00:44:46: UI-Design, wie gesagt, super wichtig, aber kommt eben relativ spät im Prozess
00:44:50: und irgendwie 80 Prozent von dem, was wir tun, passiert eigentlich vorher.
00:44:54: Und ich hätte so gerne einen Begriff dargestellt.
00:44:57: Der das ermöglicht, dieses breitere Verständnis und der das besser transportiert
00:45:02: als UX, weil UX ist besetzt.
00:45:04: Ja, du kannst den nicht mehr umdeuten. Also wenn ein Begriff so verwendet wird,
00:45:09: ich glaube, das kriegst du nicht hin, dass die Leute da ein anderes Verständnis entwickeln.
00:45:15: Genau und deshalb, ich habe noch keine Lösung, ich habe noch keinen tollen Begriff.
00:45:19: Ich bin ein großer Fan von Digital Product Design, weil das einfach weitergefasst ist.
00:45:27: Und außerdem hat das diese interdisziplinäre Qualität, weil das hatten wir ja
00:45:33: auch gesagt, ja, Design ist eine super wichtige Sache, aber man sollte es eben
00:45:37: nicht nur den Designern überlassen,
00:45:39: sondern als interdisziplinäres Team, wo im Wesentlichen die Entwicklerinnen
00:45:45: schon mit dabei sind, ja, einfach um auch da dafür zu sorgen,
00:45:49: dass man schon in der Konzeption die Umsetzung mit bedenkt und die technischen Gegebenheiten.
00:45:57: Wir arbeiten ja oft nicht auf einer grünen Wiese, sondern es gibt aus historischen
00:46:01: Gründen oder eben auch aus aktuellen technischen Gründen bestimmtes System,
00:46:05: was sich nahelegt für diese spezielle Aufgabenstellung.
00:46:08: Und als Designer und als Konzeptor habe ich vielleicht ein gewisses,
00:46:12: wie du gerade so schön gesagt hast, so ein gewisses Oberflächenwissen oder so
00:46:16: ein Bauherrenwissen, sage ich mal. Ich kenne das Gebiet so ein bisschen.
00:46:19: Ich habe den Begriff Angular schon mal gehört.
00:46:21: Die habe ich auch schon mal gehört.
00:46:24: Trotzdem ist es besser, die ExpertInnen gleich von Anfang an dabei zu haben.
00:46:29: Das muss nicht Vollzeit sein. Ich brauche jetzt kein komplettes agiles Team
00:46:33: für die Konzeptphase, aber in den Workshops müssen die EntwicklerInnen mit drin sitzen.
00:46:37: Da müssen alle Stakeholder mit drin sitzen. Und das finde ich,
00:46:40: das ist bei einem, sag ich mal, analogen Produktdesign erforderlich.
00:46:44: Ist es total natürlich. Natürlich wird der Schreiner mit drin sitzen in dem
00:46:51: Workshop mit dem Produktdesigner für den Stuhl oder den Tisch.
00:46:54: Ja klar, der Schreiner ist der Experte fürs Holz einfach.
00:46:56: Genau.
00:46:57: Ja, ich glaube, vielleicht ein kleines anderes Problem an der Stelle ist halt
00:47:00: auch, dass der Begriff Design, ich glaube, bei vielen Leuten so Assoziationen
00:47:06: hervorruft und auch fest irgendwie verknüpft ist mit manchen Dingen.
00:47:10: Also UI, UX, Design ist, glaube ich, für viele Leute, Wie mache ich es schön?
00:47:15: Wie mache ich vielleicht so ein Screen-Design? Ein schönes Layout.
00:47:18: Aber beim Designbegriff darf man ja nicht vergessen, es gibt beispielsweise das Software-Design.
00:47:23: Das ist nochmal ganz was anderes. Das ist auch wichtig im ganzen Entstehungsprozess von Software.
00:47:29: Und es gibt ja auch Bereiche oder andere Bereiche außerhalb der klassischen
00:47:33: Software-Entwickler-Entwicklung, wo Design was ganz anderes bedeutet.
00:47:38: Also ich spiele ja mal ein Videospiel und da gibt es, wenn ein Spiel entwickelt
00:47:41: wird, gibt es Game-Designer. Und der Game Designer, der kümmert sich jetzt nicht
00:47:44: darum, wie die Grafiken aussehen.
00:47:46: Also vielleicht ganz grob, aber letztendlich gibt es dann Grafiker,
00:47:49: die sich um Grafik kümmern.
00:47:50: Ich glaube, das ist ein Übersetzungsproblem. Im Englischen ist der Begriff Design
00:47:57: viel, viel weitergefasst und viel, viel richtiger in meinen Augen.
00:48:01: Ich habe ein paar Bücher mitgebracht und eins davon hat das im englischen Sinne auch im Untertitel.
00:48:09: Da heißt es nämlich Designing Great Products with Agile Teams.
00:48:13: Und da ist schon klar, Design ist nicht nur was, was Designer tun,
00:48:16: also in dem Fall UI-Designer.
00:48:17: Ja, und dieser weitere Begriff, nicht mal ich entwerfe was, sondern ich mache
00:48:26: was, ich schaffe was, was vorher nicht da war.
00:48:29: Und es ist völlig egal, ob das Code ist oder ein Stuhl oder eben ein Layout.
00:48:36: Den finde ich viel, viel richtiger. Aber auch da haben wir durch diese falsche
00:48:41: oder sehr verengte Übersetzung ins Deutsche so ein Festbegriff.
00:48:46: Besetzten Begriff, den wir nicht mehr umdeuten können. Das deutsche Design hat
00:48:51: immer was mit Gestaltung zu tun. Im engeren Sinne.
00:48:56: Ich male irgendwas ab.
00:48:58: Ja, es ist was Sichtbares, was Optisches irgendwie.
00:49:02: Und das finde ich sehr schade. Und auch das ist ein Teil davon,
00:49:05: warum ich den Begriff UX-Design eigentlich nicht cool finde.
00:49:08: Und ich meine, wenn du jetzt sagst, digitales Produktdesign,
00:49:12: das ist halt schon viel weiter gefasst einfach.
00:49:14: Da ist die Flughöhe schon viel weiter oben, weil ein Produkt umfasst halt einfach unglaublich viel.
00:49:20: Genau. Nur da müssen wir auch noch das Design loswerden.
00:49:23: Ja, also falls jemand eine gute Idee hat, dann meldet euch sehr,
00:49:26: sehr gerne, wenn jemand ein gutes Wort hat, das da besser passt.
00:49:30: Und ja, ich würde sagen, Uwe, wer jetzt Lust hat auf User Experience Design
00:49:37: oder digitales Produktdesign oder da einfach ein bisschen tiefer eintauchen
00:49:41: will, ja, der sollte am besten bei dir mal anrufen oder dir eine E-Mail schreiben.
00:49:45: Sehr gerne.
00:49:47: Alternativ als Vorbereitung, um vielleicht auch den Designbegriff sich ein bisschen
00:49:50: besser zu verdeutlichen, könnte man ja auch eins von deinen Büchern lesen,
00:49:54: die du mitgebracht hast.
00:49:56: Das sind nicht meine Bücher.
00:49:57: Das sind nur Buchempfehlungen. Ja, ja, also nicht von dir verfasst,
00:50:00: aber von dir in der Bearbeitung.
00:50:03: Ja, sehr gerne. Also tatsächlich, um sich dem Feld zu nähern,
00:50:07: ganz allgemein gibt es zwei tolle Bücher, die sind beide schon sehr alt.
00:50:14: Das eine heißt Don't Make Me Think.
00:50:18: Ich bin ganz schlecht mit den Namen. Als Deutscher würde man wahrscheinlich
00:50:22: sagen Steve Krug, wie der zerbrochene Krug.
00:50:27: Und das andere ist The Design of Everyday Things.
00:50:32: Und da sind wieder Nielsen und Norman.
00:50:36: Wie schon erwähnt wurden.
00:50:37: In dem Fall Don Norman war da, glaube ich, der Autor. Das sind so Fundamente.
00:50:44: Unserer Arbeit als UXer. Da geht es auch gar nicht in erster Linie um Software
00:50:49: oder um User Interfaces.
00:50:50: Da geht es um so ganz grundsätzliches Verständnis, was ist User Experience.
00:50:54: Ein Beispiel, was mir in Erinnerung geblieben ist, ist, okay,
00:50:57: wenn ich eine Tür habe, wo Ziehen oder Drücken draufsteht, dann ist diese Tür
00:51:01: falsch gestaltet, weil die Tür sollte das durch ihre Gestalt nahelegen, wie sie zu bedienen ist.
00:51:06: Also das ist so diese ganz basale Art, sich mal da reinzulesen. Das ist toll.
00:51:10: Wie gesagt, es ist nicht super aktuell. Es sind alte Bücher,
00:51:13: teilweise aus den 80ern, aber das sind so die Fundamente, insbesondere auch
00:51:17: diese erwähnte Komponente der Empathie, um Anforderungen, um User zu verstehen,
00:51:23: wird da sehr schön erklärt.
00:51:24: Aktueller als Fanboy des interdisziplinären Teams, sage ich mal,
00:51:32: ist eins meiner Lieblingsbücher von Jeff Gothelf und Joss Seedon.
00:51:38: Lean UX heißt es und auch da ist das Wort UX eigentlich falsch.
00:51:45: Der Untertitel ist besser, das ist das gerade erwähnte, Designing Great Products
00:51:49: with Agile Teams und da geht es vor allem darum,
00:51:53: wie UX und UI Design idealerweise agile Softwareentwicklung informieren und
00:52:00: wie da die Zusammenarbeit am besten funktioniert.
00:52:02: Das ist ein schmales Buch, hat man an einem Abend durchgelesen,
00:52:06: wenn man mal so drüber fliegt, aber es kann einen Arbeitsleben lang begleiten.
00:52:10: Klingt auf jeden Fall sehr spannend und die Bücher, die verlinken wir natürlich,
00:52:14: dann könnt ihr euch die auch alle eins hätte ich noch.
00:52:16: Das mir ganz wichtig ist. Und das ist eher ungewöhnlich, das ist von Rick Rubin,
00:52:22: ich weiß nicht, ob du Rick Rubin kennst, der Musikproduzent,
00:52:24: der hat ein Buch geschrieben, es ist auch sehr schön,
00:52:27: es ist natürlich eine stilisierte Schallplatte drauf und das heißt The Creative Act, A Way of Being.
00:52:36: Ich glaube, Rick Rubin ist nicht in erster Linie ein Autor.
00:52:40: Und die Sprache ist, man könnte sagen, fast einfache Sprache.
00:52:45: Und man könnte im Buch vorwerfen, es ist unterkomplex. Er beschäftigt sich damit,
00:52:50: wie geht eigentlich Kreativität?
00:52:53: Wie funktioniert das für ihn? Wie kommt er in den Flow?
00:52:57: Wie schafft er das, kreativ zu arbeiten? Und das sind ganz, ganz einfache Tipps,
00:53:02: sind so superkurze Kapitel, immer so eine Seite. Und er erklärt total einfache Dinge.
00:53:08: Und wie gesagt, man kann sich darüber lustig machen. es ist fast kindlich in
00:53:11: der Sprache was ich übrigens für Kreativität super finde,
00:53:16: und ähm,
00:53:19: Ich empfehle das meinen Studierenden, ich lege denen das jedes Semester von
00:53:23: neuem ans Herz, weil das ist so, wenn man nicht weiß, wenn man da sitzt und
00:53:27: man braucht dringend eine Idee, dann guckt man da rein und dann weiß man, wie man da hinkommt.
00:53:32: Großartig.
00:53:32: Funktioniert super.
00:53:33: Also das werde ich mal auf jeden Fall auf meine Leseliste packen.
00:53:36: Ich kannte das nämlich noch nicht, aber klingt auf jeden Fall sehr spannend.
00:53:41: Uwe, vielen Dank für deine Zeit. Ich weiß auf jeden Fall jetzt besser,
00:53:45: was der Begriff UX bedeutet und werde da jetzt mal mit ganz anderen Augen durch
00:53:52: die Projekte durchgehen und wenn ich das nächste Mal sehe, dass irgendwo UX
00:53:55: und UI Design synonym verwendet wird,
00:53:59: dann werde ich gleich mal den Finger heben und sagen, seid ihr euch da sicher?
00:54:04: Und hoffentlich dann spannende Diskussionen entfachen.
00:54:08: Also war auf jeden Fall super spannend. Und ja, ich glaube,
00:54:12: gerade so dieser Ansatz, dass wir versuchen,
00:54:17: unsere Kunden noch besser zu verstehen und auch noch partnerschaftlicher von
00:54:22: Anfang an mit denen zu arbeiten und nicht nur so vielleicht der klassische Dienstleister
00:54:26: zu sein, der was abarbeitet, was der Kunde vorgibt.
00:54:29: Ich glaube, das macht halt auch den Unterschied, Vor allem, weil dadurch halt
00:54:34: am Ende auch Produkte entstehen können, die richtig gut sind und auch genau
00:54:38: das tun, was man eigentlich möchte.
00:54:41: Weil ich meine, das ist ja oft so, du hast eine total großartige Idee und dann
00:54:47: merkst du, na, jetzt habe ich es in der Hand so gut, war die vielleicht gar nicht.
00:54:52: Und wenn du das aber nach kurzer Zeit feststellst, dann kannst du die Idee modifizieren
00:54:56: und weitermachen. Und bitter ist es halt, wenn du es erst nach einem Jahr feststellst.
00:55:00: Genau, das ist eigentlich ein schöner Pitch, oder?
00:55:04: Mit UX im Team macht man weniger Fehler und die, die man macht, die macht man früher.
00:55:10: Man erkennt sie früher und damit wird das Ganze deutlich preiswerter und die Qualität geht hoch.
00:55:17: Ja, Wolfgang, vielen Dank, hat mir großen Spaß gemacht.
00:55:20: Das freut mich.
00:55:21: Das war das Gespräch mit Uwe. Ich hoffe, es hat euch Spaß gemacht und ihr habt etwas gelernt.
00:55:26: Wenn ihr Feedback habt, dann erreicht ihr mich per E-Mail unter podcast at inovex.de.
00:55:31: Wir hören uns in der nächsten Folge wieder. Bis dahin wünsche ich euch viel Spaß und eine gute Zeit.
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